Rantanplan

Welcher Comicfan meiner Generation kennt ihn nicht, den treudooftrotteligen Gefängniswachhund Rantanplan, den der französische Comicautor René Goscinny [ebenjener, der auch Asterix und Der kleine Nick erfunden hat] 1960 ins 14 Jahre zuvor vom belgischen Comiczeichner Morris gestartete Lucky-Luke-Universum eingeführt hat, und der [der Hund, nicht der Autor] 25 Jahre später sogar eine eigene Serie bekam. In Deutschland sind die LL-Abenteuer ab Mitte der 1960er Jahre in Fortsetzungen in den (von Rolf Kauka seit 1953 herausgegebenen) „Fix und Foxi“-Heften erschienen, und auch wenn ich als Junge kein ausgesprochener Fan davon gewesen bin, habe ich mir im neuen Jahrtausend – um meine damals kaum aus mehr als Asterix bestehende Comic-Sammlung zu erweitern – noch etwa drei Dutzend Lucky-Luke-Bände zugelegt.

 

Und während der sich anschließenden ersten LL-Lektüre seit rund 30 Jahren hat sich langsam aber sicher eine bestimmte Frage aufgedrängt: “Wie spricht man den Namen des Hundes eigentlich korrekt aus?” Bei Lucky Luke, Jolly Jumper und den Daltons schien es keinen Zweifel an der Aussprache zu geben: englisch halt, doch sah Rantanplan eigentlich nicht wie ein englisches Wort aus, so daß ich es deshalb erst mal deutsch ausgesprochen hatte, was allerdings nicht besonders leicht von der Zunge gehen wollte. Und weil Lucky Luke ja ein im Original in französischer Sprache erschienener Comic war, probierte ich irgendwann auch mal Rõ:-tõ:-plõ: aus, was sich schon viel besser anhörte. Doch fand ich auch daran noch einen Haken: weil die Lucky-Luke-Geschichten ja im Wilden Westen der USA spielen, wo doch [siehe die Namen der anderen Figuren] vor allem englisch gesprochen wurde. Und so ging ich schließlich auch noch zur englischen Artikulation über … und mußte sofort grinsen, weil der Hundename dann nämlich so klang, als wenn sich ein Ausländer mit amerikanischem Akzent oder so an dem deutschen Wort “Rentenplan” versucht hätte.

 

Das war zwar recht lustig, brachte mich der Antwort zur richtigen Aussprache aber immer noch keinen Zungenschlag näher. Bis ich auf den Gedanken kam, daß “Rentenplan” möglicherweise gar nicht der von Goscinny erdachte Originalname gewesen sei. Denn das hatte es ja auch vorher schon gegeben: Tim und Struppi zum Beispiel haben in Wirklichkeit ganz anders geheißen, nämlich Tintin und Milou.

 

Also begab ich mich im Internet auf Informationssuche und erfuhr dabei, daß Ran-tan-plan (wie die allererste Schreibweise wohl gelautet hatte) als das doofe Gegenstück zum cleveren Rin Tin Tin konzipiert worden war.

 

xxxxx[Kleiner Exkurs:
Vor 100 Jahren ist in Amerika der erste von fast dreißig (zwischen 1922 und 1931 entstandenen) Rin-Tin-Tin-Kinofilmen über die Leinwand geflackert, während in den 1950er Jahren noch die Fernsehserie „The Adventures of Rin Tin Tin“ hinzukam, die es auf stolze 164 Folgen gebracht hat. Dies ist übrigens auch die allererste TV-Serie, die im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, mit jedoch nur 20 Folgen zwischen 1956 und ’64, von denen ich einige gesehen habe, da meine Eltern schon sehr früh (ab ca. 1959) ein Fernsehgerät besessen hatten. Und ich persönlich fand Rin Tin Tin auch immer deutlich besser als Lassie (wenn auch nicht ganz so toll wie Fury). Und so viel in Kürze zu “Wer war Rin Tin Tin?” – und nun zurück zu Rantanplan.]

 

Und als ich mich schon schmunzelnd damit angefreundet hatte, daß das deutsche Wort Rentenplan in vielen amerikanischen Haushalten mit Comics lesenden Kindern ein klanglich üblicher, wenn auch bedeutungsmäßig ganz anderer Begriff gewesen sei, brachte meine Recherche leider ernüchternd zutage, daß Rantanplan in englischen Ausgaben gar nicht Rantanplan, sondern Rin-Tin-Can geheißen hat. Was ich tatsächlich echt schade fand.

 

Aber ich kann immerhin noch froh sein, daß Hergé (der Tim-und-Struppi-Autor) seinen Reporter, und nicht den Hund, Tintin genannt hat, denn wenn es anders herum gewesen wäre, hätten die pelikanesischen Gedankengänge bestimmt auch noch die Verbindung zwischen Tintin und Rin Tin Tin herzustellen versucht und weitere große Rätsel gewittert.
…..[Nachtrag von Juni 2023: Heute ist mir beim Lesen des Comics “Die Abenteuer von Hergé” klargeworden, daß der Name Tintin durchaus auf Rin Tin Tin zurückgehen könnte. Im Comic kommen Hergé und seine Freundin 1928 (ein Jahr vor der ersten Tintin-Veröffentlichung) aus dem Kino, wo sie den Rin Tin Tin-Film “Land of the Silver Fox” angeguckt haben, und er sagt zu ihr: “Dieser Rintintin hat was drauf”. – Und was draufhaben sollte ja auch die wenige Monate später dem Zeitungsleserpublikum erstmals vorgestellte Figur des unerschrockenen und abenteuerlustigen Tintin.]

 

Doch ist die eingangs gestellte Frage nach der korrekten Aussprache von Rantanplan leider immer noch unbeantwortet geblieben, und Goszinny und Morris, die es ja gewußt haben müssen, kann man leider nicht mehr fragen. Und so weiß ich also immer noch nicht, wie ich besagten Namen beim Lucky-Luke-Lesen aussprechen soll: Ranntannplan? Rõ:-tõ:-plõ:? Oder Ränntännplähn? Wie haltet ihr das eigentlich?

 

P.S.: Und wenn ich die Pointe damit nicht schon angedeutet haben würde, hätte ich diesen Beitrag wohl “Lucky Lukes Rentenplan” betitelt.

 

In Gedenken an René Goscinny, der heute (5. November) vor 45 Jahren gestorben ist.