August 2016

Ich hatte/habe zwei Duisburger Lieblingsbands. In den 2010er Jahren ist das “New Incident”, und in den 1970er Jahren war das “Ausz”. Seltsamerweise ist mir die große Parallele zwischen diesen Musikgruppen erst beim 2. oder 3. New-Incident-Konzert aufgefallen: daß improvisierte Passagen und sogar komplett improvisierte “Lieder” bei beiden Bands nämlich wesentliche Bestandteile ihres jeweiligen Programms (gewesen) sind. Und obwohl die jüngere Band mehr vom Jazz und die ältere mehr vom (Prog-)Rock beeinflußt worden ist, klingen einige Stellen so, daß sie auch von der jeweils anderen Band stammen könnten.

Und ist das nun Zufall, daß die jeweiligen Bandleader auch meine zwei besten Freunde sind? Als da wären: Birdy Steppuhn, der Drummer von New Incident (seit mehr als 20 Jahren), und (seit mehr als 40 Jahren) Kalle Burandt, der Baßist von Ausz.

New Incident besteht seit 2011, und Ausz existierte von 1973 bis ’78. Und AKTUELL ERNEUT WIEDER seit Mai 2016. Lediglich der in München lebende Gitarrist Peter Dietz ist heute nicht mehr dabei, so daß die aktuelle Ausz-Besetzung aus einem Baßisten (Kalle Burandt), Schlagzeuger (Lucky Ruhnau) und Saxophonisten (Martin Urrigshardt) besteht. Ohne Sänger.

Und ist es Zufall, daß die Instrumentierung von New Incident Baß (Ralf Wißdorf), Schlagzeug (Birdy Steppuhn) und Saxophon (Freddy Gertges) ist? Ebenfalls ohne Sänger.

Im Februar dieses Jahres trafen sich Kalle, Lucky und Martin (also ein dreiviertel Ausz) beim “Lucky Day” im Grammatikoff zum ersten Mal seit 3 Jahrzehnten gemeinsam wieder, und das war dann der Initialfunke, der sich in den kommenden Wochen zum Reunionflächenbrand entwickelte. Kalle und Lucky leben nach wie vor in Duisburg, während Martin schon seit Jahrzehnten im Schwarzwald zuhause ist. Also dürften Proben dann doch recht schwierig sein, oder? Nicht für Ausz, denn dieses neue Ausz-Gefühl hat vor allem mit dem bereits in den 1970er Jahren geprägten Begriff AUSZ-ART zu tun, wozu eben nicht nur Musik gehört, sondern als neuestes Instrument der gemeinsamen Vielfalt die eigene Website. Aber natürlich steht Ausz auch heute noch für Musik. So spielte Kalle in seinem Wohnzimmer beispielsweise eine Baßspur auf Diktiergerät ein, Lucky schaltete in seinem Percussionkeller das Handy auf record, und Martin suchte später dann aus dem Material ihm kompatibel erscheinende Baß- und Schlagzeugparts heraus, fügte im heimischen Tonstudio im Schwarzwald noch Saxophon und Keyboards hinzu, und schon war ein neuer Ausz-Song fertig. Und als Gast ist bei einem dieser neuen “Stücke” auch der Keyboarder Georg Mahr mal mit von der Ausz-Partie gewesen.

Und ist es Zufall, daß New Incident auch gerne mit Gastmusikern arbeiten?

Die Ausz-Website hat allerdings nicht nur aktuelle Auszmusik, sondern auch noch klassische Auszklangminuten aus dem Jahr 1977 zu bieten.

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D E R   F Ü N F T E   B E A T L E

Gedankensprung. – Der fünfte Beatle, wer war das eigentlich genau? Stuart Sutcliffe? Pete Best? Billy Preston? Oder vielleicht doch Peter Stormares Dixie aus “The Million Dollar Hotel”? [Habt ihr mal seine Version von “I Am the Walrus” im Bonusteil der DVD gesehen und gehört? Phantastisch!]

Aber egal … doch darüber, wer “Der fünfte Auszer” war, gibt es keinerlei Zweifel: das war Pelikan! Ich bin nämlich ein absoluter Hardcore-Fan gewesen und habe so gut wie keinen Auftritt und – wenn mich meine Erinnerung nicht trügt – auch kaum eine Ausz-Probe verpaßt. [In exakt dem Ausz-Kellerprobenraum der Schule an der Lüderitzallee in Buchholz sollte ich 20 Jahre später mal einen Volkshochschulgitarrenkurs abhalten, habe mich allerdings – wegen der fensterlosen und deshalb doch etwas bedrückenden Atmosphäre – schlichtweg geweigert.]

Musikmachen gehörte für mich bis in die 90er Jahre hinein zum mit wichtigsten Bestandteil meines Lebens, hat seitdem aber stark an Unentbehrlichkeit und Faszination eingebüßt. Ich drücke mich heute viel lieber (und auch besser) mit Worten aus. Musik berührt mich einfach nicht mehr in dem Maße wie früher, so daß ich heutzutage auch kaum noch zu Konzerten gehe. Nach 50 Jahren Musikhörens kenne ich die Rockmusik-Klischees einfach viel zu gut, um von lokalen Bands noch auf für mich interessantes Neuland geführt werden zu können. Mit Ausnahme von New Incident. Und auch Ausz stachen vor 40 Jahren aus dem Duisburger Bandangebot recht deutlich hervor. Am liebsten wäre ich damals natürlich als vollwertiges Mitglied eingestiegen, mußte aber neidvoll anerkennen, daß ich einfach nicht der richtige Mann für die Auszmusik war. Zumal die Band in Peter Dietz schon einen sehr ungewöhnlichen und experimentierfreudigen Gitarristen besaß, der für den spontanen Auszklang viel besser geeignet war als ich eigentlich nur an Rhythm’n’Blues geschulter Rhythmusgitarrist. Und auch als Sänger – was wir im Januar 1974 tatsächlich mal ungefähr 3 Proben lang auszprobiert haben – bin ich andere Arten von Melodien als die Burandt’schen gewohnt und deshalb auch keine qualitätssteigernde Option gewesen.

 

Martin, Lucky, Kalle, Peter und Pelikan im Mai 1977 (Foto: Schnuff)

Und so verlegte ich mich dann auf meine andere Stärke und verfaßte 1978 eine “Geschichte”, in der meine Ausz-Helden eine Art Empfangskomitee für Billy Cobham, Stanley Clarke und Eric Clapton darstellten.

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A   S A T U R D A Y   A F T E R N O O N   I N   E S C H H A U S

Darsteller:
Francis Serafini als Wolfgang Esch
Hellmut Hattler als Kalle Burandt
Dean Martin als Lucky Ruhnau
Eric Clapton als Peter Dietz
Peter Falk als Martin Urrigshardt
Georg Mahr als Eric Clapton
Sammy Davis, Jr. als Billy Cobham
Dick Heckstall-Smith als Dick Heckstall-Smith
James Button als Stanley Clarke
Alan Bourdillion Traherne als H. C. Artmann
Congo Johnson als A.S.H. Pelikan

Kalle, Lucky, Peter und Martin stehen im Eschhaus an der Theke und trinken Tomatensaft. Wolfgang steht hinter der Theke und poliert Gläser. Eric, Billy und Stanley kommen herein.

Eric zu Billy, in ehrfürchtigem Tonfall: Ah, so this is the famous Ash House. Und an Ausz gewandt: Hey, can anybody tell me what’s happening here on a Saturday night?

Lucky: Oh sure.

Martin: It’s a marvellous place for playing the saxophone.

Stanley: Really?

Lucky: Oh sure.

Einige Statisten laufen durchs Bild.

Billy zu Wolfgang: One table and half a bottle of whisky, please.

Stanley zu Eric: Let’s look for the concert manager.

Kalle zu Wolfgang: Noch vier Tomatensaft.

Wolfgang reicht Billy einen Tisch und eine halbe Flasche Whisky.

Eric zu Peter: Please, can you tell me where I can find the concert manager?

Peter: He’s right around the corner.

Martin: The guy with the saxophone.

Billy, laut: Would anybody like to have a whisky with me?

H. C. und A.S.H. aus dem Hintergrund: Yeah!

Billy: Come on!

Stanley zu Wolfgang: Where are all the girls in this movie?

Dick kommt um die Ecke.

Eric, erstaunt ausrufend: Hey Dick, old house, what are you doing here?

Dick, ebenfalls überrascht: Eric, Billy, Stanley, nice to see you.

Billy: Whisky, Dick?

Stanley: Tomato juice, Dick?

Eric: And I say it again. What are you doing here?

Martin zu Dick: Hey Dick, wie spät ist es?

Dick: Oh, hi Martin. Martin, this is Eric. Eric, this is Martin.

Martin: Hi Eric.

Eric: Hi Martin.

Martin: Eric, do you know what time it is?

Eric: Hey Billy, got the time?

Billy: Sorry, but I just lost my watch to H. C. in a poker game.

Eric, rufend: H. C., got the time?

H. C., zurückrufend: Wanna buy a watch?

Stanley zu Kalle: And what about you? Are you always so quiet?

Kalle zeigt auf Lucky: That’s Lucky.

Stanley: Oh yeah?

Lucky: Oh sure.

Dick zeigt Wolfgang drei erhobene Finger.

Eric zu Dick: What I wanted to know…

Dick: Oh yeah, these guys from Eschhaus wanted me as a concert manager, so here I am. And it’s also a marvellous place for playing the saxophone.

Wolfgang stellt drei Bier auf die Theke.

Dick zu Eric: Beer?

Eric: Yes, thanks. So, Mister Concert Manager, I’d like to know if we can make some music in this place?

Dick, sein zweites Bier austrinkend: Oh, I don’t think that’ll be possible,ibecause The Sheffield Shakers are playing here tonight, Frank Funk and The Disco Devils are playing here tomorrow, a band called Energy is playing here the day after tomorrow, and on Tuesday the house is closed. On Wednesday we start with Duisburg Dancers, got The Dukes on Thursday, Free Form on Friday, The Masters of Volume on Saturday, The Dietz Duo on Sunday, Glatter Ausz on Monday, and on Tuesday the house is closed. Our programme’s really jam-packed, but what about asking again next month?

Eric überlegt.

Dick trinkt Erics Bier aus, sagt: I’ll be back in a minute, und geht aufs Klo. Als er zurückkommt, ist außer Wolfgang niemand mehr da.

Dick: Where is Eric?

Wolfgang: Going to ask Kalle if he could join The Shakers tonight.

Dick: And where is Kalle?

Wolfgang: Trying to find A.S.H. to ask him.

Dick: And where is Stanley?

Wolfgang: Looking for some girls.

Dick: And where is Billy?

Wolfgang: Trying to find H. C. to win back his watch.

Dick: And where is H. C.?

Wolfgang: Trying to find Martin to sell him a watch.

Dick: And where is Martin?

Wolfgang: Trying to find H. C. to get the time.

Dick überlegt einen Moment, dann: And where are Lucky and Peter?

Wolfgang: I have no idea.

Dick, ungehalten: Okay, if anybody’s asking for me, tell’m that I’m right around the corner playing the saxophone.

T H E   E N D

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[© A.S.H. Pelikan, “Was Ich Noch Wagen Sollte oder Was Ich Noch Sagen Wollte”, OTZ Verlag Duisburg, Oktober 1978]