(Die Geschichte zum Foto im Booklet der “Besser als nichts”-CD)

(Foto: Inge Merz)

Es geschah bei “All you need is Love & Sex & Rock’n’Roll”, dem Programm der Allstar Band [nicht zu verwechseln mit den “Duisburg City Rock’ n’ Roll All Stars”] zu den 16. Duisburger Akzenten 1992, daß ich gleich zu Beginn schon größere Probleme mit mir selbst und dem Projekt- und Bandleader Peter Bursch bekam, die dazu führten, daß ich in der ersten Probenphase bereits wieder ausstieg. Dirk Blumhoff, der Baßist der Band, hat mich dann ein paar Tage später bei einem sehr intensiven Gespräch aber doch davon überzeugen können, daß ich mir (und auch ihm) keinen Gefallen damit täte, die zwei geplanten Auftritte zu boykottieren, und so bin ich also wieder angekrochen gekommen um zu fragen, ob ich nicht doch wieder mitmachen dürfe. Doch ging es mir, als das überstanden war, leider überhaupt nicht besser, denn abgesehen davon, daß meine Probleme ja immer noch vorhanden waren, hatte sich das Programm (was ich aber erst nach meinem Wiedereinstieg erfuhr) in den Tagen ohne Pelikan bereits insoweit verändert, daß mein eigenes Lied (“Herzlos”) inzwischen gestrichen war, und daß für ein anderes (“Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band” von den Beatles, das ich auf Peters Wunsch hin ins Deutsche übertragen hatte und bei dem alle drei Hauptsänger – Stefan Werner, Kim Merz und Pelikan – gemeinsam auftreten sollten) mittlerweile eine Tonart gewählt worden war, die (auf Kim und Stefan abgestimmt) alles andere als optimal für mich war. Auch mein Zappa-Song-Vorschlag (“Dirty Love”) war nicht angenommen worden (nachdem ich ein Jahr zuvor noch “Cosmic Debris” hatte singen dürfen, wenn auch nur in einer – wieder von P.B. gewünschten – deutschen Übertragung), so daß ich außer dem Falsche-Tonart-Lied nur noch zwei Nummern hatte: “Norwegian Wood” von den Beatles (das ich für diesen Anlaß überhaupt nicht toll fand, weil es (a) meiner Meinung nach wesentlich bessere Songs zum Thema Liebe gab und ich ohnehin vermutete, daß Peter uns das Teil nur auf’s Auge gedrückt hatte, um seine Sitar vorführen zu können, und weil ich (b) dabei mit einer Tänzerin agieren und mich mitten im Lied auf den Boden setzen [weil keine Stühle im Song vorkommen] und später auch noch ins imaginäre Badezimmer kriechen mußte, was mir alles nicht besonders lag), und als zweites Lied “Let’s talk about Sex” von Salt’N’Pepa, dessen Strophen durch meinen Sex-Rap aus dem Song “Kein Sex, kein Drugs, kein Rock ‘n’ Roll” (zu hören auf meiner 4. CD: “Besser als nichts”) ersetzt wurden. Und vor diesem Rap hatte ich echt Angst, weil er im Tempo von “Let’s talk about Sex” viel schneller als mein Original war, und so war ich also nicht wirklich glücklich mit dem, was ich bei dieser Show vortragen sollte: Meine zwei vorgeschlagenen Lieblingslieder (Herzlos und Dirty Love) waren nicht (mehr) im Programm, und von den verbliebenen dreien war eins in einer für mich falschen Tonart, eins mit nicht gerade erfreulicher Choreographie versehen, und eins bei recht viel und schnell zu sprechendem Text alles andere als risikofrei. Eigentlich Grund genug, um wieder auszusteigen … doch konnte ich das der Band nun wirklich nicht noch ein zweites Mal antun.

Voll freudiger Erwartung auf die beiden anstehenden Auftritte war ich also nicht, als mir drei Tage vor dem ersten Konzert bei einem Spaziergang die Idee kam, bei dem Sex-Rap im klassischen Exhibitionisten-Outfit mit Trenchcoat ohne Jeans darunter aufzutreten. Doch was sollte ich tatsächlich darunter tragen? Vielleicht eine knappe Badehose? Aber das war eigentlich sowieso egal, weil ich den Mantel ja ohnehin nicht aufmachen würde. Je länger ich aber darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, daß den Mantel doch aufzumachen – mit Badehose drunter – die eindeutig bessere Show wäre. Und daß den Mantel aufzumachen und darunter gar nichts anzuhaben natürlich alles toppen würde. Doch das würde ich mich ja sowieso nicht trauen. In den verbleibenden zwei Tagen kristallisierten sich dann aber immer mehr Argumente für eben doch die schärfere Variante heraus. 1) Die Gelegenheit, mich auf der Bühne für eine Sekunde im Adamskostum zu präsentieren, würde ich vermutlich nie wieder im Leben bekommen und mich deshalb wahrscheinlich jedesmal, wenn ich im Nachhinein daran dächte, über die verpaßte Chance ärgern. 2) Es würde das Optimum dessen sein, was aus dieser Nummer herauszuholen wäre, also weshalb dann nur das Zweitbeste geben? 3) Peter Bursch würde – so wie ich ihn einschätzte – das Ganze vielleicht nicht vollkommen in seinem Sinne finden, und wenn ich ihn dadurch ein kleines bißchen ärgern konnte, würde das schon ein wenig den Ärger, den ich wegen einiger anderer Programmpunkte empfand, aufwiegen können. 4) Ich mußte ja niemandem von meinem Vorhaben erzählen und konnte mich in letzter Sekunde auch immer noch dazu entschließen, den Mantel nicht aufzumachen. Und so ging ich es also an.

Meine erste Mantelnummer

Die erste Show fand in der Rheinhausenhalle statt, und weil wir dort ein Jahr zuvor schon gastiert hatten, wußte ich, daß es im Backstagebereich genügend Garderoben gab, um mich ungestört um-, bzw. ausziehen zu können. Und weil ich zufälligerweise bei dem Stück davor auch nichts zu tun hatte (bei den meisten Liedern war ich nämlich als Chorsänger auf der Bühne beschäftigt), hätte ich mich eigentlich in aller Ruhe meinem Kleiderwechsel widmen können, war dafür aber viel zu aufgeregt, so daß ich mich zuerst auch noch meiner Schuhe und Strümpfe entledigte, die ich mir dann, als ich es merkte, schon in ziemlicher Eile wieder anziehen mußte. Mein Trenchcoat [der früher mal Gillas Vater gehört hatte … was der wohl von dieser Nummer gehalten haben würde?] besaß genau drei Knöpfe, was absolut perfekt mit der Anzahl der Let’s-talk-about-Sex-Refrains übereinstimmte, so daß ich bei jedem davon einen weiteren Knopf öffnen konnte, um den Mantel am Ende nur noch mit der Hand zusammenzuhalten und nach dem letzten “Let’s talk about…” für eine Sekunde – als das Wort “…Sex” hätte gesungen werden müssen – den Blick auf meine privaten Teile freizugeben. Und als es soweit war, dachte ich nur noch: sei kein Idiot und machet, Peli! Und dann hab ich’s halt gemacht. Anschließend hatte ich noch vier weitere Zeilen Text, deren Anfang ich, immer noch ziemlich angespannt, total versemmelt habe, was aber kaum jemand gemerkt hat, weil das Publikum da noch in dem “War das, was wir eben gesehen haben, wirklich wahr?”-Schock gefangen war, so daß ich mit der verunglückten Zeile nach dem Verhaspler einfach nochmal neu begann.

Meine zweite Mantelnummer

Das Lied war an dieser Stelle aber noch nicht zu Ende, denn zu dem Beat von “Let’s talk about Sex” sollten nun einige türkische Breakdancer auf die Bühne kommen und ihre Kunst zeigen, so daß ich nun nichts mehr zu tun hatte und abgehen konnte. Seitlich in den Kulissen, bevor es zu den Garderoben ging, stand Peter Bursch, der bei diesem Lied nicht mitgespielt aber doch mitbekommen hatte, daß irgendwas Besonderes vorgefallen war, und er rief mir, als ich noch 3 Meter von ihm entfernt war, ein “Pelikan, wat war denn?” zu. Also öffnete ich spontan im Weitergehen nochmal kurz den Mantel für ihn, und er schaute auch – wie vermutet – nicht wirklich begeistert drein.

Meine dritte Mantelnummer

Weitere 3 Meter hinter Bursch wartete das halbe Dutzend Tänzer darauf, endlich auf die Bühne gelassen zu werden, und weil einer davon meine private Bursch-Nummer mitbekommen hatte und seinen Kumpels das nicht vorenthalten wollte, forderte er: “Mach nomma”, was ich dann im Vorbeigehen auch gerne tat.

Meine vierte Mantelnummer

In dem Moment kam der bei diesem Song pausierende zweite Gitarrist Thomas Valentin aus der Garderobe und fragte: “Pelikan, wat hasse gemacht?” Und weil ich gerade so in Übung war, zeigte ich es ihm.

After-Show-Party

Mein Verhältnis zu Peter wurde danach zwar nicht besser, doch fühlte ich mich auf jeden Fall besser, weil ich unbändig stolz darauf war, soviel Mut bewiesen zu haben, wie es mir vermutlich niemand auf der Welt – selbst ich nicht – zugetraut hätte. Eine Woche später gab’s dann die zweite und letzte Show, und nachdem ich auch diese hinter mich gebracht hatte, bin ich endgültig beim Bursch ausgestiegen, denn wir konnten da einfach nicht mehr miteinander. Und daß ich ein paar Wochen später als einziger der Gruppe nicht zur Privataufführung des Konzertvideos im Filmforum eingeladen und auch nicht im Video-Abspann als mitwirkender Musiker aufgeführt worden bin, ist bestimmt nur ein Versehen gewesen.

P.S.: Bevor die zweite Show im Clauberg-Gymnasium stattfand, hatte ich mit Freunden zusammen noch überlegt, wie man die Mantelnummer noch steigern könne, und wir waren schließlich zu dem Schluß gelangt, daß es nur eine Möglichkeit gäbe: Nicht Pelikan müßte vorne alleine im Trenchcoat stehen sondern rechts und links noch von Peter Bursch und Walter Kaulhausen (der bei der Show hinter den Kulissen mitwirkte) flankiert sein, die dann – natürlich ebenfalls im Trenchcoat mit nichts drunter – zeitgleich mit mir ihre Mäntel zu öffnen hätten. Den Vorschlag unterbreitet habe ich den beiden allerdings nicht.