How To Be A Happy Man

Ende Oktober 2018

Nun ist also das, was mir mit 20 oder 30 noch völlig undenkbar war, eingetreten: Ich bin 65 Jahre alt geworden. Irgendwann mal dieses Alter zu erreichen hatte ich zwar nicht für völlig unmöglich gehalten, doch tatsächlich einmal 50, 60 oder sogar 65 Jahre alt zu sein ist für mich früher nie vorstellbar gewesen. Ging einfach nicht. Außerdem wollte ich sowieso nicht so alt werden, weil die wenigen alten Menschen, die ich damals kannte, alle keine Ziele mehr zu haben und nur noch vor der Glotze zu hängen und auf das Ende zu warten schienen. Da war ich dann ganz bei den Who: I hope I die before I get old (My Generation).

Nun, ich habe Glück gehabt, mir geht’s im Kopf noch richtig gut und ich bin seit einigen Jahren tatsächlich (und in dieser Beständigkeit sogar zum ersten Mal in meinem Leben) ein glücklicher Mensch. Ich habe offenbar meinen Seelenfrieden gefunden und lebe jetzt so, wie ich es mir vor gut 50 Jahren schon erträumt habe: als Schriftsteller, denn Literatur ist meine erste große Liebe gewesen [bevor sie von Musik als neuer Nummer 1 abgelöst wurde, die inzwischen aber nur noch eine Nebenrolle spielt und hinter Literatur und Film auf die dritte Stelle meiner Lieblingskünste zurückgefallen ist]. Zwar habe ich als Autor bis heute noch keine finanziellen Erfolge vorzuweisen [1982 mal 100 DM für den Gewinn des “Text des Monats” der Stadtbibliothek Duisburg, und vier Jahre später noch einmal dieselbe Summe bei einem Dortmunder Lyrik-Wettbewerb bekommen], doch ist die finanzielle Seite ja auch nicht das Wichtigste, wenn man das tun kann, was man liebt. Und so verbringe ich täglich 4 bis 7 Stunden am Schreibtisch, wobei ich an drei Tagen in der Woche meine Arbeit leider vorzeitig abbrechen und mich zu meinen Gitarrenkursen nach Stadtmitte und Rheinhausen auf die Fahrradsocken machen muß.

65, das ist das Alter, von dem es in meiner Jugend hieß, daß man seine Lebensarbeit dann geleistet habe und sich in den Ruhestand zurückzöge, um seine Rente zu genießen. Meine Geldverdienarbeit ist aber nicht das Schreiben, sondern seit mehr als 40 Jahren das Gitarrenunterricht-Geben [während meine literarische Arbeit vor allem für meinen Seelenfrieden zuständig ist], und weil ich bei der VHS mit 65 nicht automatisch rausgeschmissen werde, mache ich – da ich noch wirklich Lust dazu habe und auch immer noch besser werde – einfach weiter. [Von der zu erwartenden Rente würde ich ohnehin nicht einmal meine Wohnungsmiete zahlen können…]

Eines der schönsten Komplimente, die ich je bekommen habe, stammt von Sternhagel, dem Gitarristen der in Duisburg ehemals recht bekannten Duisburg City Rock ‘n’ Roll All Stars: “Pelikan? Auch so’n Erfolgsverweigerer. Der hätte sauerfolgreich sein können, auf irgendeine Weise…”
xxxxxErfolgsverweigerer, gefällt mir. Allerdings hat mein heutiger Nicht-gerade-top-Status wohl vor allem damit zu tun, daß ich immer viel zu “nett” und naiv und ängstlich und als Geschäftsmann einfach immer eine ziemliche Niete gewesen bin. Businessmäßiges Hauen und Stechen und Ellbogen einsetzen ist mir schon immer zuwider gewesen, und als Konsequenz daraus könnte ich heute sogar damit prahlen, noch nie im Leben Steuern gezahlt zu haben, da ich stets unter dem Verdienst-Mindestsatz gewesen bin. [Allerdings habe ich auch noch nie Hilfe von Vater Staat in Anspruch genommen, weil sich meine Eltern viel zu einfach und viel zu berechenbar als “Sponsoren” hatten ausnutzen lassen.]

Als junger Mensch habe ich natürlich auch mit dem ganz großen Erfolg geliebäugelt, denn ich wollte ja nicht so was langweiliges wie Gitarrenlehrer oder so werden. In den 70er Jahren war mein Traum Rockstar,

[Mein Vater sagte immer schon:
“Im Leben braucht man Sicherheit.
Was willst du denn mal werden, Sohn?
Denn so langsam wird es Zeit.”
xxxxx“Ein bißchen noch zur Schule geh’n,
ich hab noch kein besond’res Ziel,
erst mal schau’n und dann mal seh’n,
ich werd schon merken was ich will.”

Und jetzt weiß ich wohin,
wo ich sein kann wie ich bin,
wo ich meine Angst verlier’,
wo ich fühl, daß ich gewinn’,
und das ist hier (= auf der Bühne).
xxxxxPelikans singbare Übertragung der 1. Strophe von “Finally Found A Home” von Huey Lewis & the News]

…in den 80ern Rockstar und Schriftsteller,
xxxxx[Ich habe damals dreieinhalb Jahre an einem Wildwestroman gesessen und ihn tatsächlich auch fertiggestellt, doch war das Ergebnis leider nicht so gut wie erhofft, so daß das Werk bis heute in der Schublade geblieben ist, obwohl ich seine (allerdings eher leichtgewichtige) Story auch heute noch sehr liebe.]

…in den 90ern dann nur noch, vom Alkohol wegzukommen,
xxxxx[was ich seit dem 27. März 2001 auch geschafft habe!]

…und im neuen Jahrhundert vor allem, erwachsen zu werden (mit erster eigener Wohnung und so) und zu versuchen, das bisher Erreichte nicht nur komplett geringzuschätzen. Und so habe ich – um den Nachweis zu liefern, als Duisburger Songwriter [mit rund 250 Eigenkompositionen] auch tatsächlich existiert zu haben – von 2008 bis 2015 meine (durch eine Erbschaft nach dem Tod meiner Mutter erst möglich gewordene) 6teilige CD-Reihe mit überwiegend alten Live-Aufnahmen herausgebracht. Zwar ist keine der Scheiben richtig toll zu nennen, doch war das Projekt auch mehr als Songwriter- und Band-Werkschau angelegt, in der neben den eigenkompositorischen Perlen auch meine nicht ganz erstligareifen Lieder ihre Existenzberechtigung haben sollten.
xxxxx(Ich habe bis heute zwar nur 51,7 Prozent der Gesamtkosten wieder eingenommen, doch ist das Wichtigste für mich ja gewesen, daß ich mir den eigentlich schon lange begraben gewesenen Traum von einer eigenen Schallplatte schließlich doch noch erfüllen konnte.)

Als die CD-Reihe [mit insgesamt 67 Eigen- und 34 Fremdkompositionen] im Sommer 2015 abgeschlossen war, machte ich mich daran, mir ein Schreibprojekt zu suchen, um mal wieder ein Buch herauszubringen, weil ich als Schriftsteller in Duisburg nämlich noch etwas zu beweisen hatte. Seit meinem letzten veröffentlichten Werk (“Herzlichen Glückwunsch”, 1982) waren ja schon einige Jahrzehnte ins Land gegangen, doch hatte ich in der ganzen Zeit – selbst in den depressiven Phasen meiner alkoholgetränkten Midlife-Krise in den 90er Jahren – nie völlig mit dem Schreiben aufgehört, und spätestens nach den insgesamt mehr als 100 Bookletseiten für meine CDs das Gefühl, einen deutlichen Niveauschritt nach vorne getan zu haben. Und das finde ich bei der Arbeit an meinem neuen Buch “In Ermangelung eines aldebaranischen Sternenhimmels” (das hoffentlich bis 2021 erschienen sein wird) glücklicherweise immer noch bestätigt.

Zuvor wird jedoch noch “Im Bann der Subdominante” erscheinen, eine 2017 und ’18 aufgenommene neue Pelikan-CD, die auschließlich Eigenkompositionen enthält, von denen 12 noch nie zuvor auf einem Tonträger zu hören gewesen sind.

“65 und keine Ziele mehr” war ja mein jugendlich irriger Fehlglaube, die allgemeine Situation beim Eintritt ins “Rentenalter” betreffend, aber wenn ich für ein neues Pelikan-Buch von ca. 3 bis 4 Arbeitsjahren ausgehe, habe ich bereits genügend Ideen für ein weiteres Schreib-Jahrzehnt auf Lager. Ihr braucht euch für die Zukunft um mich als Künstler also keine Sorgen zu machen, denn solange ich noch konzentriert denken und schreiben kann, habe ich alle Aussichten, auch weiterhin ein glücklicher Mensch zu sein.

Stichwort glücklicher Mensch: Zum Abschluß dieses “Wie läuft’s denn so mit 65?”-Beitrags möchte ich euch noch den Text eines Liedes für die kommende CD vorstellen [Nachtrag 2019: Diese Nummer ist inzwischen wieder von der CD gestrichen worden, weil der Song doch ziemlich lang ist und ich mir nach dem Hören der Aufnahmen leider eingestehen mußte, daß ich einfach nicht mehr die musikalische Kraft früherer Jahre besitze, um solch einen Song mehr als 7 Minuten lang in der erforderlichen Spannung zu halten], das zur Fertigstellung schlappe 42,5 Jahre benötigt hat. Die erste Strophe habe ich (bis auf die später noch ausgetauschten ersten beiden Zeilen) im Frühjahr 1973 verfaßt, während die restlichen erst im April und Oktober 2015 hinzugekommen sind.


How To Be A Happy Man

1) Here I am, a young guy, who didn’t finish school
I don’t have any plans for life, just wanna play it cool
good morning, mother sun, thank you for the day
good morning, mother sun, now I’m gonna take this day away
a lot of freaks all around in the streets
I think there are some friends of mine I will meet
hello, Mr. Dealer, do you have some shit today?
I’d like a piece for 10 and then I’m going to smoke the day away

2) I woke up this morning with a tear in my eye
I’m thirty years of age now and I wish it were a lie
I luckily quit drugs about ten years ago
it didn’t change my way of life, I’m still moving rather slow
I’m writing stories and I play my guitar
I still dream my dream of becoming a star
I don’t think of tomorrow cause I live from day to day
the future might bring sorrow, so let’s take a guitar and make it play

3) Now it’s ten years later and things are going wrong
I still live with my parents without knowin’ where I belong
my novel wasn’t published, my band was no hit
I’m giving guitar lessons, but it’s just a job, I must admit
so what’s it all about when nothing’s pleasing me
my dreams are over and I’m drinking heavily
I need to ease my mind cause I’ve got so much to hide
to keep myself from feeling that emptiness inside

I have been hoping for years
to find that one true romance
so I searched in ev’ry woman that I met for my last chance
to become a happy man

4) The years went by and slowly I got something quite clear
my life was ruled by alcohol, by weakness and by fear
then I finally reached the point, the moment of fate
when I met my future as I found out it was not too late
to change my ways, to be my own best friend
to bring that drunkard’s misery to an end
to stop my senseless waiting, to give things a try
to make myself believe that I could solve all my problems by and by

5) And now with over sixty I’ve found my place in the sun
I didn’t touch any alcohol since two thousand and one
and I’m trying not to waste my time like I did before
not to wait for miracles to manage all I’m looking for
I no longer need to be famous at all
don’t need great success, no golden records on the wall
I really like my work, teaching how to play guitar
and I still love writing, so I’m following my star

For me the meaning of life
is individuality
because working on my talents was the perfect way to see
how to be a happy man