CD-Tip: Desi Klaeukens

31. Januar 2014.

“Pelikan, ist eigentlich aus irgendeinem deiner Gitarrenschüler mal was geworden?”

Diesen Satz habe ich schon mehr als einmal zu hören bekommen, und da ich ja schon länger im Geschäft bin, darf er natürlich auch zu Recht gestellt werden. Allerdings bin ich als Gitarrenlehrer ja seit (auf den Monat genau) 30 Jahren an der Volkshochschule Duisburg tätig, wo die Schüler in der Regel Erwachsene sind, die bereits im Berufsleben stehen und keinerlei Ambitionen haben, das Gitarrespielen vielleicht mal zu einer “Karriere” auszuweiten oder so. Meine Erfolgsbilanzen sind deshalb auch eher auf den kleinen lokalen Bereich beschränkt, wie den aktuellen Gitarrenschüler etwa, der als Rentner vor anderthalb Jahren bei mir angefangen und mittlerweile bereits zwei Auftritte vor Publikum absolviert hat – da ihm, wie er sagte, einfach nicht mehr so viel Zeit bliebe, um noch länger damit warten zu können. Und aus dem ist, wie ich finde, wirklich was geworden.

Das “was” in obiger Eingangsfrage ist natürlich auf Personen gemünzt gewesen, von denen man auch überregional schon mal etwas gehört haben könnte, und da sind meine “Erfolge” dann doch sehr bescheiden. Denn außer René (den Nachnamen habe ich leider vergessen), der mal eine Single herausgebracht und einen TV- sowie einen etwas größeren Vorgruppen-Auftritt gemacht hat, habe ich da kaum etwas vorzuweisen. Dieser René ist mir aber (was ich persönlich nämlich für die eindrucksvollere Leistung halte) auch auf einem anderen Gebiet um einen ganzen Punkt voraus gewesen, da er eines Tages mein Konkurrent wurde, indem er seine eigene Musikschule auf der Johanniterstraße in Duisburg aufmachte, die den schönen Namen “Klangschmiede” trug, sich aber nur wenige Jahre halten konnte. Was René heute macht und ob das auch noch etwas mit Musik zu tun hat, weiß ich leider nicht.

Nun habe ich aber ein weiteres Eisen im Feuer, seit ich gestern erfahren habe, daß die (inzwischen in Berlin lebende) talentierteste Gitarrenschülerin, die ich jemals hatte, ihre erste Langspiel-CD mit zehn eigenen Liedern und einer Coverversion auf einem richtigen Label [im Gegensatz zu den fast nirgendwo erhältlichen Tonträgern von Pelikan] veröffentlicht hat:
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Desiree Klaeukens – “Wenn die Nacht den Tag verdeckt

Der deutsche “Rolling Stone” hat der Scheibe in seiner Februar-Ausgabe 3,5 Sternchen gegeben und den Artikel mit folgenden Worten eröffnet: “Der Pelikan war schuld. Ihr Gitarrenlehrer, damals in Duisburg.” Natürlich liebe ich diese Einleitung (schließlich wurde ich durch sie im zarten Alter von 60 Jahren zum ersten Mal im Rolling Stone erwähnt), doch ist sie eigentlich gar nicht wahr. Schuld war vor allem das außergewöhnliche Talent dieser mittlerweile 28jährigen Künstlerin, das sich auch ohne Pelikans kleine Hilfen entfaltet und zu ihrer eigenen Musik geführt haben würde, da bin ich mir sicher. Trotzdem bin ich natürlich sehr stolz darauf, daß meine zu Anfang 16jährige Schülerin und heute gute Freundin sich zu einer Songwriterin entwickelt hat, die ich zur aktuellen Top 5 der Duisburger Liederschreibergarde zählen würde.

Stilistisch hat Desis Musik allerdings keine große Ähnlichkeit mit der pelikanesischen, sondern ist mehr ein naher Verwandter der Lieder von Tom Liwa (einem weiteren Duisburger). Und wenn ihr Toms Kunst mögt, macht ihr bestimmt nichts falsch, wenn ihr in Desi Klaeukens’ intelligent und unaufdringlich produziertes deutschsprachiges Debutalbum “Wenn die Nacht den Tag verdeckt” einfach mal reinhört.

Alles Liebe nach Berlin

 

Nachtrag, 11 Jahre später

Zuerst wollte ich mal zugeben, daß ich in obigem Beitrag die “Der Pelikan war Schuld. Ihr Gitarrenlehrer, damals in Duisburg.”-Aussage bewußt falsch verstanden hatte, indem ich den danach folgenden Satz “Der brachte Desiree Klaeukens nebenbei nicht nur Schach bei, sondern auch die Lieder von Tom Liwa nahe, welche sie dann sehr lange und sehr intensiv begleitet haben.” einfach zu zitieren “vergessen” habe. Womöglich, um so gezielter und einfacher darauf hinweisen zu können, daß ich am Erfolg dieser sehr talentierten jungen Frau nun wirklich keinen entscheidenden Anteil hatte. Der Gedanke, als Gitarrenlehrer ein besonderer Förderer gewesen zu sein, ist zwar schön, sollte aber nicht davon ablenken, daß Desi alles nur sich selbst zu verdanken hat. Da hätten auch schlechtere Gitarrenlehrer nichts mehr dran kaputtmachen können.

Groucho Marx antwortete auf die Frage, welche Rolle der Aspekt “Talent” spielen würde, um im Showbusiness Erfolg zu haben, mal mit: “Talent sollte im besten Fall nicht hinderlich sein.”

Einfach nur ein ziemlich guter Songwriter zu sein, reicht leider bei weitem nicht aus, um damit auch voranzukommen. In Desis Fall ist das große “Vorankommen” ihre 2014 veröffentlichte oben erwähnte CD gewesen, die ich auch heute noch für ein bemerkenswert gutes Stück Musik und Kunst halte. Nicht zuletzt auch wegen des feinfühligen Arrangements der Lieder und des sich nie in den Vordergrund drängenden Spiels der auf dem Album mitwirkenden Studiomusiker. Und wie erstklassig diese tatsächlich waren, sollte ich erst einige Jahre später herausfinden, als ich mir die (schon 2011 erschienene) Udo-Lindenberg-CD “MTV Unplugged – Live aus dem Hotel Atlantic” zulegte und überrascht feststellte, daß Desis Baßist und Schlagzeuger auch Udos Rhythmusgruppe gewesen waren. Und daß dieses Mitwirken auf Desis Album keinem Zufall zuzuschreiben, sondern langjähriger, sich um die richtigen Kontakte bemühender “Arbeit” zu verdanken war, sollte eigentlich jedem einleuchtend erscheinen, der sich ein klein wenig in der Welt des Musikgeschäfts auskennt.

Talent sollte im besten Fall nicht hinderlich sein … drum noch einmal mein hier erneut ausgesprochener Respekt vor der Leistung des Erstellens dieses tollen Musik-Albums. Hört’s euch an, Freunde!

Mehr Liebe nach Berlin

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Apropos “Talent sollte im besten Fall nicht hinderlich sein”: Kennt ihr die sechs Jahre umspannende herausragende Langzeitstudie “Wie ein Fremder – Eine deutsche Popmusik-Geschichte” über Roland Meyer de Voltaire aus dem Jahr 2020 von meinem deutschen Lieblings-Dokumentarfilmer Aljoscha Pause? Darin wird unter anderem auch Desi mal zur Lage von Musiker-in-Deutschland-Sein befragt, und im Bonusteil der Blu-ray Disc ist sie sogar mal kurz bei einem Live-Auftritt zu sehen.